Stimmen die Horrormeldungen, dass Grafiker schutzlos dastehen? Im Gespr?ch mit Rechtsanwalt Sebastian, Gesch?ftsf?hrer der IPPC LAW und Rechtsanwalt, ?ber Bildrechte, Lichtbilder und Computergrafiken und die aktuelle Rechtsprechung, das Gespr?ch f?hrte Josefine Schulte, Berlin, im Rahmen des Projektes ABOWI – Across Borders With Information.
Josefine Schulte: Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Sebastian, im Internet liest man immer wieder, dass Computergrafiken nicht urheberrechtlich gesch?tzt sein. Stimmt das, und wenn nicht, wie kommen die Leute darauf?
Rechtsanwalt Daniel Sebastian: Das ist so zum Gl?ck erst mal nicht richtig. Urheberrechtlichen Schutz genie?en alle Werke. Ein Werk setzt voraus, dass der Urheber bei der Schaffung des Werks eine gewisse Sch?pfungsh?he erreicht hat. Das bedeutet, dass das Werk das Ergebnis einer pers?nlichen geistigen Sch?pfung ist.
Eine pers?nliche geistige Sch?pfung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Sch?pfung individueller Pr?gung, deren ?sthetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der f?r Kunst empf?nglich und mit Kunstanschauung einigerma?en vertrauten Kreise von einer in ?k?nstlerischen? Leistung gesprochen werden kann. (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13. November 2013 ? I ZR 143/12).
Das bedeutet, dass auch Gebrauchsgegenst?nde urheberrechtlichen Schutz genie?en, sofern sie ?ber den Gebrauchszweck hinaus eine individuelle Pr?gung und Originalit?t aufweisen, aufgrund deren eine ?sthetische Wirkung erzielt wird.
Josefine Schulte: Das klingt alles sehr technisch und f?r den Durchschnittsb?rger kaum verst?ndlich. Was ist genau damit gemeint?
Rechtsanwalt Daniel Sebastian, Berlin: Das ist leider richtig und ein Problem des Urheberrechts, da im Ergebnis meistens die Richter selbst entscheiden, was diese Sch?pfungsh?he erreicht, und was nicht. Damit beurteilen diese letztlich auch, was Kunst ist und was nicht. Die Richter sehen sich hier selbst als die Kreise, die in der Lage sind, diese Entscheidung zu treffen. Eine Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt ist an dieser Stelle unerl?sslich.
Was hat das Kammergericht entschieden?
Josefine Schulte: Aber wie kam es nun genau dazu, dass in dem vorliegenden Fall das Kammergericht Berlin entschieden hat, dass ein urheberrechtlicher Schutz nicht besteht?
Daniel Sebastian: In seiner Entscheidung vom 16.1.2020 mit dem Aktenzeichen 2U 12/16 hat das Kammergericht Berlin festgestellt, dass es sich bei einer am Computer erstellten Grafik, zum Beispiel einem Rendering, nicht um ein Lichtbild im Sinne des Paragraphen 72 Urheberrechtsgesetz handelt. Au?erdem hat es festgestellt dass einer Computergrafik zu Gebrauchszwecken, hier einer Produktgrafik, kein urheberrechtlicher Schutz zukommt, wenn die Sch?pfungsh?he nicht erreicht ist. Dies kann bei Produktgrafiken regelm??ig der Fall sein.
Josefine Schulte: Wie bewerten Sie diese Entscheidung und was ist f?r den Grafiker zu beachten?
Rechtsanwalt Daniel Sebastian: Die Entscheidung ist sicherlich dogmatisch gut begr?ndet. Allerdings haftet sie f?r meinen Geschmack doch zu sehr am Wortlaut des Gesetzes. Vorliegend wurde darauf abgestellt, dass eine Computergrafik nicht das Ergebnis eines bildgebenden Verfahrens ist. Computergrafiken sind nicht unter Einsatz strahlender Energie erzeugte selbstst?ndige Abbildungen der Wirklichkeit, sondern vielmehr mittels elektronischer Befehle erzeugte Abbildungen von virtuellen Gegenst?nden. Das ist zwar f?r sich genommen richtig. Allerdings zeigen sich in der Praxis folgende Probleme: zum einen ist durch Bekanntwerden dieser Entscheidung und Sichtweise ein sehr einfaches Mittel wirksam, um doch f?r diese Art der Bilder einen Schutz zu genie?en: man kann n?mlich einfach vom Bildschirm, der diese Grafik anzeigt, ein Foto machen. Dieses digitale Foto genie?t dann den Schutz des Paragraphen 72 UrhG, das Leistungsschutzrecht des Lichtbildners. Die n?chste Frage die sich stellt, ist, ob dies eine gewollte Auswirkung ist und ob der Sch?pfer der Computergrafik wirklich darauf verwiesen werden sollte, seine Grafiken nicht direkt aus dem Programm abzuspeichern, oder einen Screenshot zu machen, sondern sich gegebenenfalls mit seinem Handy vor den Bildschirm zu stellen und davon ein Foto zu machen. Dies geht doch etwas an der Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts vorbei.
Josefine Schulte: Wie ist es denn mit Videosequenzen, und Computerspielen, die am Monitor erzeugt wurden?
Daniel Sebastian: Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26. Juli 2018 ? IZR 64/17 entschieden, dass mittels Computer geschaffene Video- und Computerspiele urheberrechtlichen Schutz genie?en. Das ist erfreulich.
Konsequenzen aus der Entscheidung und Ausblick
Josefine Antonia Schulte: Haben Sie noch ein Fazit f?r den Anwender, insbesondere f?r Computer Grafiker?
Daniel Sebastian: Nat?rlich. Zun?chst ist festzustellen dass es sich bei der Entscheidung des Kammergerichts um eine Berliner Entscheidung handelt. H?chstrichterlich, d.h. durch den Bundesgerichtshof (BGH), ist diese Frage noch nicht entschieden. In anderen Bundesl?ndern oder durch den BGH sind also aktuell noch andere Entscheidungen m?glich. Es w?re zu begr??en, wenn diese weniger am Gesetzeswortlaut haften und sich mehr an der technischen Realit?t orientieren w?rden. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber gefragt, hier Klarheit zu schaffen und Computergrafiken eindeutig den Schutz des Urheberrechtsgesetzes zu unterstellen.
Bis es soweit ist, ist dem Grafiker zu raten, seine Arbeit m?glichst individuell und kreativ zu gestalten. Unter diesen Voraussetzungen ist der Schutzbereich des Paragraphen 2 Nr. 4 Urheberrechtsgesetz er?ffnet und ein Schutz besteht auch jetzt. Im Zweifelsfall lohnt es sich immer, einen qualifizierten und im Urheberrecht erfahrenen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Fotografen und Lichtbildner sind ohnehin umfassend gesch?tzt. Trotzdem kommt es immer wieder zum Bilderklau im Internet. Hier ist die Rechtslage zum Gl?ck meistens klar und Schadenersatzanspr?che k?nnen ?ber einen versierten Rechtsanwalt schnell und einfach durchgesetzt werden.
Josefine Schulte: Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Sebastian, ich danke Ihnen f?r das angenehme und informative Gespr?ch.
Daniel Sebastian: Sehr gerne. Ich habe zu danken, die Freude ist meinerseits.
V.i.S.d.P.:
stud. iur. Josefine Antonia Schulte
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?ber ABOWI:
Across Borders With Information ? ABOWI, eine Interviewreihe von Josefine Schulte Jurastudentin aus Berlin in Deutschland. Fragen und Antworten: Eine Reise um die Welt, die Unterschiede und Vorurteile aufdeckt. Was bewegt die Anw?lte dieser Erde, Josefine Schulte fragt sich von Aserbaidschan bis Zypern durch.
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Rechtsanwalt Daniel Sebastian, Kurf?rstendamm 103, 10711 Berlin bzw. sein Unternehmen IPPC LAW Rechtsanwaltsgesellschaft mbH geh?ren seit Jahren zu den gefragten Experten rund um den Schutz von Urheberrechten und Markenrechten. Der T?tigkeitsschwerpunkt der Kanzlei liegt im Vertragsrecht, im Urheber- und Medienrecht, im gewerblichen Rechtsschutz (Wettbewerbsrecht) und im Forderungsmanagement. Die Kanzlei IPPC LAW Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vertritt nicht nur in Berlin, sondern bundesweit. Weitere Informationen unter: https://www.ippclaw.com/